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Von Kopfständen und Nagelbrettern

Solange ich auf dem Kopf stehe, kann ich nicht auf einem Nagelbrett sitzen

„Im Herzen ist man immer sorglos und glücklich“, weiß mein Yoga-Tee, den ich mit stoisch vorgetäuschter Gelassenheit zu mir nehme, während um mich herum das Armageddon ausgebrochen zu sein scheint, weil meine Kids Stein um Stein, Balken um Balken wieder einmal das Haus zerlegen…
Yoga müssen Eltern erfunden haben – sie lernen dadurch nicht nur diszipliniert sitzen zu bleiben, wenn ein Buntstift-Kunstwerk auf der neuen Tapete entsteht oder die Tischplatte gerade zu einem Nagelbrett mutiert, sondern es ist auch supergut geeignet, um sich nachts, unbemerkt von der Kleinstbevölkerung, die trotz des „Ich bin nicht müde“-Protestes, eben doch weggeschlummert ist, aus dem Bett und von Insel zu Insel durch ein Meer aus Spielzeug und kindlichen Gliedmaßen zur rettenden Tür zu hangeln, hinter deren Schwelle der beschauliche Abend beginnt.

Mein-Tip

Erst laaaang ausstrecken, dann mit den Beinen nach oben schiebend, Millimeter um Millimeter über den Matratzenrand hinausarbeiten, im unterstützten Kopfstand kurz verpusten, bis auf dem Laken wieder Ruhe eingekehrt ist… nochmal gut gegangen… eine gekonnte Drehung mit dem Oberkörper einbauen, mit den Fingerspitzen die erste legofreie Sandbank ertasten, Lieblings-Knie zur Nase ziehen, Bein in den noch liegenden Spagat strecken, nun weiter herumdrehen und in der Heldin gaaanz langsam, damit niemand wach wird, zum Eiland hinüberwachsen, in einem gekonnten Gleichgewichtsakt das zweite Bein nachholen, einen Arm ausstrecken, um die nächste Insel zu ertasten, usw… Blöd nur, wenn die Tür dann wieder nicht geölt wurde… aber die Wiederholung prägt bekanntlich die Meisterschaft.

Noch mehr Vorteile

Selbstverständlich hilft die Yoga-Praxis den Eltern auch beim Twister spielen oder wenn es darum geht, wer Recht bekommt: „Okay… wer das Bein zuerst hinter‘m Ohr hat, darf entscheiden, welcher Film geguckt wird!“
Also so betrachtet ist Yoga irgendwie doch ganz praktisch und wenn es die Kinder nicht beruhigt, dann wenigstens die Eltern, die heute von ihrem Tee lernen können, selbst in stürmischer See ins Herz abzutauchen, um in den Überresten ihres Lebens vorbildlich die Ruhe zu bewahren.

 

Yogi Icon, nur der Kopf mit langem weißen Bart