Me-Time
Heute ist Jackpot-Tag. Ich freue mich auf das Basteln von Werbung, um in meine nächsten Veranstaltungen einzuladen. Im Anschluss werde ich unseren Urlaub buchen, der sich aus mehreren kleinen Abenteuern zusammensetzt und danach habe ich endlich ein bisschen Zeit für meine zwei Kids, die gefühlt verwahrlosen, weil ich so viel arbeite. Vielleicht legen wir uns an den See oder gehen etwas essen oder beides…
Nur mal kurz
Noch schnell eine Überweisung tätigen, dann setze ich mich an meinen Bunte-Bilder-Baukasten. Holla! Was ist denn das? Eine Abbuchung von Vodafone? Ich habe doch schon seit über einem Jahr kein Vodafone mehr, weil der Kundenservice eine Zumutung war. – Na, dann sollte sich das doch schnell klären lassen. Bin gespannt, ob sich der Kundendienst seitdem verbessert hat.
Grenzenlos Praktisch
Während ich die gut ausgeschilderte Nummer von der Webseite wähle, fliege ich noch einmal über die Kontoauszüge der letzten Monate… online ist soooo praktisch… überhaupt ist heute alles so praktisch… und stelle fest, dass Vodafone schon seit Monaten bei mir abbucht. Auweia! „Herzlich Willkommen bei Vodafone. Wenn Sie was von uns wollen, geben Sie bitte Ihre Handynummer oder Ihre Kundennummer ein.“ Ich habe weder das eine noch das andere. Ich habe ja nicht mal einen Vertrag. Bleibe einfach mal in der Warteschleife und tue so als wüsst’ ich von nix.
Ätschibätsch
Pustekuchen! „Ohne Nummer kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen! Vielen Dank für Ihren Anruf!“ <ZACK> und Aufgelegt. Sowas! Vor einer halben Stunde wollte ich nur mal kurz was überweisen… Wow! Der erste Selbstvorwurf! Okay, durchatmen, schließlich steht da noch eine weitere Nummer auf der Webseite, für Menschen ohne Vertrag – geht bestimmt eh schneller. Noch bin ich ganz ruhig. „Wählen Sie die 1, wenn Sie, …!“ Gewählt und fast schwupp habe ich eine menschliche Stimme am Ohr. Siehste! Jetzt wird alles gut!
So sicher wie der Datenschutz
Ich erkläre, dass ich einen Vertrag ohne Sim-Karte und Kundennummer und vor allem ohne mein Wissen besitze und wähne mich auf der Zielgeraden… doch zuerst die Sicherheit: „Sie werden verifiziert! Widerstand ist zwecklos!“ Nachdem der Schall alle meine sensiblen Daten mehrfach durch die Leitung getragen hat, um mich zu verifizieren, erfahre ich, dass mir auch hier ohne Kundennummer nicht zu helfen ist. Soll halt die andere Nummer wählen und durchgestellt werden kann ich auch nicht. Geht halt nicht. Festung Datenschutz. Sie wissen schon. Knick Knack.
Blindes-Huhn-Prinzip
Einer Eingebung folgend schaue ich auf den Kontoauszug. Ah! – Eine Kundinnen-Nummer. Hätte ich auch gleich drauf kommen können. Oha! Der zweite Selbstvorwurf! Kleine Energieübung und dann mit Vollgas wieder rein in die Warteschleife. Der Bot kann mit der Nummer jedoch nichts anfangen. Ich sitze wieder vor der Tür, merke, dass langsam mein Blutdruck ein paar Mü ansteigt.
Vor 45 Minuten wollte ich nur mal kurz… Ich stehe auf und schüttel meine Gedanken ab, um wieder in den Körper zu kommen.
Das Durchhalte-Gen
Wähle erneut die Nummer für die Neuzugänge, bin prompt verbunden und erfahre von einer Smart-Sim, die auf meinen Namen läuft. Auskünfte sind eben Kann-Leistungen, müssen halt nicht. Mehr will sie jetzt nicht sagen, obwohl sie in dem kurzen Hallophonat mittlerweile so viele Daten von mir gesammelt hat wie Google in der gleichen Zeit. Immerhin reicht es für ein KLICK und einer Erinnerung folgend, surfe ich nach einer anderen Nummer.
Viva Online-Shopping
Vor etwa einem Jahr hatte ich eine Smatch gekauft, diese aber noch vor Erhalt storniert, weil mein Sohn stattdessen mein altes Handy geerbt hat. Ein Spaziergang. Eine freundliche Live-Stimme entschuldigt sich und erklärt, die Stornierung hätte wohl ein Praktikant vorgenommen. Nach nur 2 Minuten habe ich eine Bestätigungsmail. Der Frieden ist wieder hergestellt und ich brühe mir einen Entspannungskaffee auf. Cool! Ich habe mich kaum aufgeregt und klopfe mir stolz auf die Schulter.
Shanti, Shanti, Shanti
Jetzt schnell ein bisschen kreativ werden, dann finito für heute. BING Im Augenwinkel erscheint eine Mailankündigung: „Neuer Umsatz auf ihrem Kreditkartenkonto von Audible. Amazon. US.“ Hä???! Das ist ja das reine Armageddon. Ich habe doch gar kein Audible?! MannMannMann. Der Check-Up meines Kontos entblößt weitere Zahlungen. Der Zeitstrahl reicht weit in die Vergangenheit. ‚Audible. Amazon. US.‘ bucht jeden Monat 7,95$ ab. Echt jetzt??? Ich denke an das gute Gefühl nach einer Yoga-Stunde und wappne mich innerlich für das, was jetzt kommt.
Digitale Odyssee
Die Amazon-Webseite gleicht eher einem Labyrinth, aber ich finde sie, die Rückrufnummer. Und es funktioniert. Innerhalb von 10 Minuten habe ich einen Artgenossen in der Leitung, der gleich wieder abtaucht, um etwas zu prüfen. Weitere 20 Minuten später, in denen ich eine Yoga-Hocke auf meinen Stuhl zelebriere, sagt er mir, er würde ja, kann mir nur leider nicht weiterhelfen, denn ich habe bei Amazon keinen Audible-Account. Soll Audible ancallen. Nummer hat er keine. Steht aber im Netz. Uffz. Erstmal aufstehen für eine kurze Atemübung. Dann hole ich mir ein Eis aus dem Gefrierschrank. Eigentlich war heute zuckerfrei.
Abriss der Impulskontrolle
Tippe ‚audible kontakt‘ in die Suchleiste und Plopp: 0800 58900 73. Sehr schön! Nach weiteren 5 Minuten auch hier eine echte Stimme, die ja würde aber nicht kann. Ich müsse mal auf Audible.us gehen. DA bin ich richtig! Na also… ich nähere mich dem Kern! Auch hier kann ich einen Rückruf anfordern. Toll! – Leider nicht nach Deutschland. Ungeil! Ob ich gehackt wurde? Ich hole mir noch ein Eis und checke, was bleibt! – Ein Chat-Bot. Das Eis kann ich brauchen.
Mein Freund der Chat-Bot
Ich erkläre auf Englisch mein Problem im vorgesehenen Feld. Bin ja jetzt schon geübt. Nach ein wenig Hin und Her erklärt der Bot mir, ich hätte schon seit einem Jahr eine Mitgliedschaft. Inzwischen ist mir alles egal. Ich will nicht streiten. Er soll sie einfach stornieren und mich in Ruhe lassen. Es soll alles wieder so sein wie es heute morgen noch war! Während tanzende Punkte eine weitere Antwort ankündigen, rutsche ich durchs Menu, finde meine Membership in der USA und quittiere sie. Frieden. Frieden. Frieden.
Zu freundlich
‚Gong‘ Weil ich neugierig bin, schaue ich, was vom Bot Retour kommt. Er bietet mir aus Kulanz 6 Rückzahlungen an. HEY!!! Danke, nehme ich und tschüß!!! Ist ja doch noch gut gelaufen. Fast könnten wir Freunde werden – der Chatbot und ich. Ich schaue auf die Uhr. Von Vodafone bis hierher, mit Warteschleifen, Konten checken, Nummernsuche, pipapo sind ganze dreieinhalb Stunden vergangen. Zurück auf Los, schnell schnell, damit ich mit meinem Zeug fertig werde…
Die Endlosschleife
BING Im Augenwinkel erscheint eine Mailankündigung: „Neuer Umsatz auf ihrem Kreditkartenkonto. Audible. Amazon. US.“ – Der Tag hat ein Murmeltier gefrühstückt.
Jetzt macht sich die Ruhe zum Absprung bereit. Ich lege den weiten Weg zum Chat-Bot zurück und stelle mir vor, wie ich ihn in seine virtuellen Pixel zerlege. BING „Neuer Umsatz auf ihrem Kreditkartenkonto“ Ein weiteres Deja Vu, nur der Betrag variiert. Was mache ich hier eigentlich? ATMEN! BING „Neuer Umsatz auf ihrem Kreditkartenkonto“
Schnapp-Atmung
Meine Haltung ist irgendwie verkrampft und ich atme SEHR flach. Während ich eine Froschpose auf den Zehenspitzen einnehme und tief durchatme, erklärt mir der Chatbot von Audible, ich hätte vor einem halben Jahr (ein unglaublich schwer zu bekommendes) Grumpy-Cat-Comic via Amazon.com gekauft, lädt mir einen Screenshot des Comics als Beweis hoch und verabschiedet sich, weil das die Abbuchungen erkläre und ich nun bei Amazon.com nachfragen müsse. Meine Flüche und wilden Drohungen verhallen in der endlosen Weite des Internets. Der Bot hat sich sicher in seine Nische zurückgezogen, derweil ich das Bedürfnis habe, jemanden wirklich schwer zu verletzen. Atmen. Tiiiiiieeeeef…
WAAAAHAAAAAA
BING „Neuer Umsatz auf ihrem Kreditkartenkonto“. Ich pack’s nicht! Das dazu passende Kreditkarteninstitut ist nicht zu erreichen. Ich muss mir erst eine App herunterladen, wenn ich Kontakt will. In der App wohnt ein weiterer Chatbot. Er hat meine Option nicht im Angebot. Pech gehabt! Welcher Sadist programmiert eigentlich diese Teile. Vorsichtshalber sperre ich meine Karte für den Moment, mit der Option, sie später wieder zu aktivieren. Derweil hat ‚Audible. Amazon. US.‘ 5 weitere Male abgebucht.
Gut gemeint
Naja, ist ja total logisch! Wenn sie mir 6 Rückzahlungen versprechen – die muss ja jemand bezahlen. Auf Umwegen finde ich ein Reklamations-Formular meiner Bank. Ich seufze hoffnungsvoll auf, als ich sehe, dass es online ausfüllbar ist. YES! Soooo praktisch. Unpraktischerweise muss ich es zum Unterschreiben ausdrucken, um es einzuscannen und wieder hochzuladen, dabei besitze ich einen Online-Ausweis. AAAAARGHHHH… wenn ich mit Fluchen Geld verdienen könnte, wäre ich jetzt bereits sehr vermögend. Boa, bin ich verkrampft.
Schenk Dir ein Lächeln
Ich werde es heute hinter mich bringen und diesen Tag vergessen. Also nochmal auf amazon.com. Gefühlt habe ich mich von meinem Ziel gerade um Meilen entfernt. Ich denke an meine Frage im Yoga-Unterricht: „Atmest Du noch?!“ DA! EIN MENSCH IN DER LEITUNG! Danke!!! Der Algorithmus würde einlenken, dass eine menschliche Stimme ja würde, aber nicht kann. Und genau so ist es. Wieder warte ich und warte ich und warte ich, während die nette Stimme am anderen Ende der Welt die Konten checkt und Rücksprachen hält.
Viel Ohm
Wenn ich die ganzen Stunden gelächelt statt geflucht hätte, würde mein System anfangen, diese Art von Herausforderungen zu lieben, schießt es mir durch den Kopf. Meine armen YogaschülerInnen. Ich lächle. Doch nur kurz: Ich solle doch bei amazon.de anrufen. Er gibt mir eine Durchwahl und es tut ihm sehr leid. Die Hoffnung hat sich jetzt ebenfalls zurückgezogen. Resignation macht sich breit. Ich wähle trotzdem, doch „Die Nummer ist nicht mehr aktuell! Bitte gehen Sie über den Kontakt auf www…“ Visuell grabe ich meine bloßen Hände in den Erfinder der Digitalisierung.
Feedback
Ich hole mir ein weiteres Eis. Es ist 20.43 Uhr. Bevor ich den Rechner herunterfahre, schlüpfe ich nochmal in mein Email-Konto. Jetzt ist es eh egal. Ich finde mehrere Mails von Audible und Amazon. Sie möchten, dass ich meine Erfahrungen mit ihnen bewerte. Ich könnte so etwas schreiben, wie: „Danke für das Feedback. Ich bin durch euch total an meine Grenzen gekommen und habe noch viel zu lernen.“
Heute jedoch nicht mehr.