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Wege ins Glück

Leben im Schlaraffenland

Seit jeher hatten die Menschen es schwer: Verwüstungen, Hungersnöte, Drakonische Strafen, Religionen, keine Autobahnen, keine Unterhosen, keine Ahnung…
Klar träumten sie vom Schlaraffenland und damit von der großen Glückseligkeit – von der absoluten Triebbefriedigung, ohne einen Extrameter dafür gehen zu müssen: Genuss nonstop, Sicherheit, einfach mal lummern und treiben lassen.

 

Alles relativ

Ich habe als Kind schon gedacht, dass es bestimmt Bauchschmerzen gibt, wenn ich mich durch eine 3-Meilen-Wand aus Hirsebrei mampfen müsste, um Teil der Schlaraffen-Gang zu werden.
Aber wahrscheinlich auch nur, weil Hirsebrei nicht so ganz meinen Geschmacksnerv trifft. Wenn ich nur Trockenbrot hätte, wär er bestimmt der Renner. Es ist eben ALLES relativ.

 

Schwierige Entscheidungen

War es damals nur den oberen 2000 vergönnt, bin ich heute fast automatisch Teil der Gang: ich darf mitessen, mitlummern, immer und überall. Nahezu die meisten Menschen um mich herum leben heute im Schlaraffenland, aber keiner bekommt es mit, weil alle mit sich selbst und mit ihren Luxusproblemen bzw. ihren auf Luxus gewachsenen Problemen beschäftigt sind: kauf ich mir die großen oder die kleinen Würstchen, mag ich zum Frühstück lieber Kuchen oder Brötchen, fahr ich mit zur Schwiegermutter oder lese ich lieber ein gutes Buch, will ich den Staubsauger behalten oder schicke ich ihn zurück und kauf mir einen anderen… alles schwierige Entscheidungen!

 

Sooooo Schööööön!

Früher hätte ich gar keine Zeit gehabt, über so etwas nachzudenken. Es hätte mich auch niemand krankgeschrieben und falls doch, wäre ich vielleicht verhungert. Heute bin ich in der Krankenkasse und habe freie Arztwahl. Heute habe ich einen Wasserhahn, kein verseuchtes Brunnenwasser, ich habe Schuhe, die ich einfach wegschmeiße, wenn sie nicht mehr gefallen, die Kanalisation, Medikamenten-Theken, Schlaraffenmärkte und ein weiches Bett. Wenn es mir zu weich ist, dann kaufe ich mir eben ein Härteres und wenn ich kein Geld habe, lasse ich eben anschreiben.

 

Konsum nonstop

Warum sind also eigentlich so viele Menschen unglücklich? Macht das Leben im Schlaraffenland missmutig? Wir können 24/7 alles bekommen, unsere Triebe rund um die Uhr befriedigen – auch wenn wir als Menschen ja gar keine haben. Triebe sind gefühlt irgendwie unterirdisch, fast so wie kleine unsichtbare Knöpfe. Wir sind doch keine Tiere! Oder doch?
Alle, die uns etwas oder sich selbst verkaufen wollen, nutzen diese kleinen unsichtbaren Knöpfe. Ununterbrochen sendet unsere Umgebung Reize: knappe Höschen, saftige Burger, verlockende Gerüche und knallige Farben auf Werbeplakaten wispern das Versprechen von Reichtum, Abenteuer und Lorbeeren und wir folgen blind.

 

Frühjahrsputz

Vielleicht ist es an der Zeit hier mal aufzuräumen. Wenn ich glaube, ich bin so total triebfrei, weil ich ja zu den erhobenen Säugetieren zähle, lasse ich mich an jeder Ecke beeinflussen, erliege diesen Reizen letztendlich, frage mich, warum meine Beziehung gescheitert ist, ich schon wieder Streit auf der Arbeit habe oder zehn Kilo mehr auf der Waage. Wollte ich doch gar nicht!

 

Ungewollte Untertöne

Wenn Du einmal verstanden hast, dass Deine Triebe den Ton angeben, weil da einfach Programme ablaufen, hast Du einen viel besseren Regler, um neue Parameter zu setzen, gewappnet zu sein, weil Du weißt, wie Du funktionierst – Deine Werkseinstellung eben. Wir nennen sie heute nicht mehr Triebe sondern Bedürfnisse. Zum Beispiel das Bedürfnis, mir Reizwäsche zu kaufen. Scherz.

 

Den Extrameter gehen

Die Neugier, den Wunsch nach Anerkennung, nach Zugehörigkeit, die Gier nach Sex, nach immer neuen lukullischen Ess-Kapaden, den Wunsch sicher und geborgen zu sein, berührt zu werden…
Früher mussten wir dafür den Extrameter gehen, Rivalen oder Säbelzahnhörnchen in die Flucht schlagen. Heute greife ich zum Handy und lasse mir einen Nacktputzer kommen, gehe in den nächsten Freizeitpark, wenn ich Abenteuer suche oder bestelle mir eine Sahnecremeschnitte beim Konditor um die Ecke. Die kann der Nacktputzer dann gleich mitbringen…

 

Weil wir schlauer sind

Da guckt die Evolution nämlich ganz schön dumm aus dem Busch – hatte sie ja eigentlich gar nicht so gedacht, dass wir unsere Umgebung an uns anpassen, Fresswürfel und Fahrzeuge bauen, die uns immer und überall das Sitzen ermöglichen, dass wir Paarship, Tetris und Netflix erfinden und Haribo. Tja, jetzt müssen wir den Umgang damit eben lernen und zeigen wie schlau wir wirklich sind.

 

Wissen wir doch

Es braucht eigentlich keine Studie der Uni Köln, damit wir wissen, dass Sitzen ungesund ist und keinen Bodyscan einer breiten Bevölkerungschicht, um festzustellen dass die Gesellschaft „seit einigen Jahren zur Tonnenform tendiert“, wie es die Bekleidungstechnik so liebevoll ausdrückt.
Wenn unser Verhalten glücklich machen würde, würde unsere Gesellschaft nicht an ihrem Wohlstand zu Grunde gehen, sondern wäre voll und ganz zufrieden und gesund.

 

Vernäht und zugeflixt

Aber Wohlstand macht doch glücklich, oder nicht? – Ja und nein… an erster Stelle ist es die Einstellung, das Sein, das uns glücklich macht. Was bedeutet für mich eigentlich Wohlstand und wie viel brauche ich davon? Und die Triebe waren ja eben dazu gedacht, in die Bewegung zu kommen, Wohlstand zu erlangen… als Belohnung sozusagen, nicht, damit wir uns ununterbrochen belohnen, für Leistungen, die gar nicht stattgefunden haben. Schauen wir uns das mal genauer an.

 

Mein Belohnungsprogramm

Mein Koks To Go, mein Dopamin bekomme ich eben langfristiger, wenn ich eine Weile gebraucht habe und mich ein bisschen mehr, als wir es gewohnt sind, nach meinem Ziel strecke, anstatt nur 5 Sekunden, weil ich mir einen Schokoriegel einverleibt habe und bereits an den nächsten denke.
Das Problem mit dem Dopamin ist, dass es süchtig macht und gleichzeitig immer mehr an Wirkung verliert. Also brauche ich mehr. Mehr Sex, mehr Bauchgepinsel, mehr Schuhe, mehr Haushaltsgeräte aus der „modernen Hausfrau“… oder ich stecke mir einfach langfristige Ziele…

 

Opium fürs Volk

Wenn ich mich echt anstrenge oder meine Angst überwinde, schüttet mein System körpereigene Opiate aus, Endorphine. Ich schwebe unerreichbar im 7. Himmel meiner Unsterblichkeit und die Motivation kippt Serotonin hinterher und ruft: „Nochmal, nochmal!“ Nur muss ich mich dafür ein wenig aus meiner Komfortzone wagen und wirklich an meine Grenzen kommen. Eigentlich ganz einfach.

 

Schokoladenhormon

Und Serotonin liegt quasi auf der Straße. Ein bisschen blöd grinsen, mir meine Erfolge vorzählen, mich dafür 2 Minuten feiern, tanzen, besingen, im Kreis hüpfen und positiv denken… dafür brauche ich gar keine Schokolade. Serotonin wird fälschlicherweise als Schokoladenhormon gepriesen, dabei ist der Anteil von Tryptophan, der Vorstufe von Serotonin in dunklem ungesüßtem Kakaopulver (290 mg) sehr viel geringer als etwa in Cashew-Kernen (450 mg) oder Käse. Da kannst Du Dir ausrechnen, wie viel in der Schoki noch ankommt. Es sei denn, es ist eine Dunkle mit Cashew-Kernen.

 

Heute schon gekuschelt

Früher wären Menschen alleine verendet. Also hat die Natur sich auch hier etwas ausgedacht. Wenn wir kuscheln, reparieren wir uns gegenseitig, weiß die weise Yoga-Katze. Dann bekommen wir Oxytocin. Unsere Belohnung für Berührung, für Miteinander und Füreinander-Dasein und damit das Gefühl versorgt zu sein, sicher und geborgen. Abenteuerlust und Bindung liegen da leider so ein bisschen im Clinch und das nicht erst seit der Freizeitgesellschaft.

 

Gut aufgestellt

Schlaf, Sex, Kuscheln, Soziales Miteinander, Bewegung, Erfolg, Neugier, Hunger, Durst. Alle diese Triebe wollen befriedigt und belohnt werden. Es wird Dir leichter fallen, Deine Impulse zu kontrollieren, wenn Du ausgeschlafen und gut genährt bist. Sonst machen Dir die Reize einen Strich durch die Rechnung. Die Gesundheit kommt an erster Stelle. Danach greift erst Dein Mindset.
Dein Körper ist nichts anderes als ein Vehikel, um das Du Dich kümmern musst, wie um Dein Auto, sonst geht es irgendwann kaputt… es ist ein Auto, das Du nur geliehen hast, mit dem Du aber viel Spaß haben kannst, wenn es funktioniert.

 

Klassische Konditionierung

Wie kann ich meine Programme jetzt für mich nutzen?! Glasklar: anschauen akzeptieren, Knöpfe drücken. Du darfst Dein Gehirn erziehen. Machen und Belohnen. Plane also gezielt Deine Extraschritte ein und lege vorher schon fest, was Du dafür bekommst. Sonst bekommst Du es eben nicht. Basta! Du wirst sehen, es macht Dich glücklich und wird mit der Zeit und gewonnener Überzeugung eine neue Werkseinstellung. Wenn Du Deine Glückshormone dann noch gezielt in Dein Tagesprogramm einbaust, bist Du ganz gut aufgestellt. Denke daran, alle vier Hormone etwa zu gleichen Teilen anzupeilen. Und gib keinen Druck drauf. Du bist toll!

 

Ade Schlaraffenland

Es gibt in Frankreich übrigens wirklich ein Schlaraffenland. Die Landschaft des Lauragais, südöstlich von Toulouse und westlich von Carcassonne wird als pays de cocagne bezeichnet, was übersetzt in etwa Schlaraffenland, bzw. LAND DER FÜLLE bedeutet. Allerdings ist es bereits seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr aktiv schlaraffig, weil ihm der Rang abgelaufen wurde. Wie gut, dass wir es heute nicht mehr brauchen.

 

 

 

 

Glücklich Im Donut